Die Funktionskreise in der TCM

In der chinesischen Medizin, werden Organe und Organsysteme nicht nur auf der materiell-anatomischen Ebene, sondern auch auf der funktionellen und psychischen Ebene betrachtet und als Einheit zusammengefaßt.

 

Ausgehend von der Annahme, das der Mensch in seinem Wesen eine untrennbare Einheit aus materiellen und immateriellen Aspekten ist, werden jedem Organ neben Körpergeweben auch Körperbereiche, Sinnesorgane, bestimmte Funktionen und psychische Aspekte wie z.B. Gefühle zugeordnet.

 

 

Diese aus Erfahrung und Beobachtung erfolgte Zuordnung ermöglicht es, Zusammenhänge und Krankheitsmuster beim Patienten zu erkennen und erfolgreich zu behandeln.

 

In jedem Organsystem sind ein Speicherorgan (chin. „Zang“) und ein Hohlorgan (chin. „Fu“) gekoppelt. Diese Organpaare beeinflussen sich gegenseitig besonders stark. Nachfolgend werden für jeden Funktionskreis die wichtigsten Aspekte genannt. Mit diesem Verständnis können später Störungen dem richtigen Funktionskreis zugeordnet werden.

Funktionskreis Milz*/Magen

Milz* und Magen gehören zum Erdelement und bilden die Grundlage des Lebens. Dieser Funktionskreis ist für die Verdauungsfunktion und die Umwandlung der Nahrung sowie für Regulation der Flüssigkeiten verantwortlich.

Der Magen kontrolliert das Zerkleinern und Aufspalten der der Nahrung. So kann die Milz später die Nährstoffe herausziehen (das Klare vom Trüben trennen), die Nährstoffe aufnehmen und die Reste zur Ausscheidung weitertransportieren. Der Magen ist so der Ursprung der Nahrungsessenzen. Er kontrolliert die Verteilung der Nahrungsessenzen an die anderen Organe und in die Extremitäten. Damit ist der Magen die Grundlage für das Qi der anderen Organe.

Das Qi des Magens bewegt sich physiologischerweise nach unten (steigt ab).

Der Magen ist anfällig für Trockenheit und wird besonders vom psychischen Aspekt Ehrgeiz beeinflußt.

Die Milz* kontrolliert und bildet das Blut. Sie sorgt für die Energie des Körpers und beherrscht die Muskeln und das Bindegewebe. Der Zustand der Milz* zeigt sich an den Lippen. Auf der psychischen Ebene kontrolliert sie das Lernen, Konzentrieren, Denken und die Merkfähigkeit. Das Qi der Milz bewegt sich normalerweise nach oben (steigt auf).

Sich Sorgen machen und Grübeln stehen in Zusammenhang mit der Milz. Menschen mit einer Schwäche im Bereich der Milz sind oft in Ihren Gedanken und Grübeleien gefangen.

*Der Begriff Milz beschreibt hier nicht das Organ im westlichen Verständnis, sondern die Verdauungsorgane und -funktionen und die davon abhängige Physiologie.

Funktionskreis Lunge/Dickdarm

Lunge und Dickdarm gehören zum Metallelement. Die Lunge herrscht über das Qi und die Atmung. Der Dickdarm ist für die Ausscheidung zuständig

Die Lunge beherrscht das Qi und verteilt es im ganzen Körper, sie ist als äußerstes Organ bei krankmachenden Einflüssen, die von außen kommen, oft als erstes betroffen. Die Lunge kontrolliert die Atmung, das Schwitzen und über die Verteilung der Körperflüssigkeiten die Befeuchtung und Ernährung der Haut und der Haare. Die psychischen Aspekte Traurigkeit und Kummer haben einen großen Einfluß auf die Lungenfunktion.

Der Dickdarm hat die Aufgabe, aufgetrennte Nahrung vom Dünndarm zu übernehmen, weiter Brauchbares vom Unbrauchbaren zu trennen und das Unbrauchbare auszuscheiden. Der Dickdarm ist also für die Ausscheidung zuständig. Das absteigende Lungen Qi unterstützt den Dickdarm bei dieser Aufgabe.

Funktionskreis Niere/Blase

Niere und Blase gehören zum Wasserelement. Nieren Yin und -Yang bilden die Grundlage für die gesamten Yin- und Yang-Energien im Körper.

Die Niere speichert die angeborene Reserve des Körpers und beherrscht die Prozesse von Geburt, Wachstum und Entwicklung. Sie produziert Mark und Substanz für Knochen und Gehirn. Die Niere kontrolliert das Wasser im Körper, öffnet sich in den Ohren und zeigt sich im Haarwuchs. Sie kontrolliert die unteren Öffnungen. Die psychischen Aspekte der Niere sind Angst und Willensstärke.

Die Blase speichert den Harn und kontrolliert das Wasserlassen. Störungen der Blase sind auf psychischer Ebene oft mit Eifersucht, Neid und Mißgunst verbunden.

Funktionskreis Leber/Gallenblase

Leber und Gallenblase gehören zum Holzelement. Die Leber speichert Blut und reguliert die freie Bewegung. Die Gallenblase sorgt für Antrieb und Mut.

Die Leber sorgt durch die Regulierung von Qi und Blut für einen reibungslosen Fluß im Körper. Sie versorgt die Sehnen mit Blut und beeinflußt die Menstruation, die Nägel und die Augen. Man schreibt der Leber einen großen Einfluß auf die Lebensplanung zu.

Die Gallenblase speichert die Gallenflüssigkeit, kontrolliert die Urteilskraft und versorgt die Sehnen mit Qi. Die Leber macht den Plan, die Gallenblase sorgt für den Antrieb und den Mut, dann auch Entscheidungen zu treffen und Veränderungen zu vollziehen.

Funktionskreis Herz/Dünndarm

Herz und Dünndarm gehören zum Feuerelement. Das Herz beherbergt den Geist. Der Dünndarm trennt Reines von Unreinem.

Das Herz beherbergt den Geist und regiert das Blut sowie die Blutgefäße. Es zeigt sich im Gesicht, kontrolliert die Zunge (Geschmack, Lachen und Sprache) und das Schwitzen. Da das Herz den Geist beherbergt, hat es starken Einfluß auf die Funktionen des Geistes, wie Emotionen, Denken, Bewußtsein, Gedächtnis und Schlaf.

Der Dünndarm trennt Nahrung und Flüssigkeiten in reine (verwerbare) und unreine (unbrauchbare) Bestandteile auf. Der psychische Aspekt des Dünndarms ist die Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem.

Funktionskreis Perikard/Dreifacher Erwärmer

Perikard (Herzbeutel) und Dreifacher Erwärmer gehören ebenfalls zum Feuerelement. Das Perikard schützt das Herz, der Dreifache Erwärmer schafft die Grundlage für die Bewegung der Substanzen.

Die Aufgaben des Perikards ähneln denen des Herzens. Es beherbergt den Geist und herrscht über das Blut. Das Perikard ist eine Schutzhülle für das Herz und viele krankmachende Faktoren befallen zunächst das Perikard. Der geistige und emotionale Zustand und auch die Beziehungen zu anderen Menschen werden stark durch das Perikard beeinflußt.

 

In der TCM wird der Dreifache Erwärmer als Straße bezeichnet, auf der sich die Flüssigkeiten, das Qi und das Blut durch diese Organe bewegen.

Klinisch am erfolgreichsten ist es, das Konzept des „Dreifachen Erwärmers“ im klassischen, überlieferten Sinne zu benutzen, ohne hier eine moderne Deutung zu versuchen.

Wenn man dieses Konzept jedoch mittels moderner Physiologie beschreiben wollte, kommt vielleicht das Wort „Stoffwechsel“, dem am nächsten. So könnte man die Funktion des Dreifachen Erwärmers als die Stoffwechselaktivität in den genannten Bereichen des Körpers verstehen.

Anmerkung: ganzheitlicher Ansatz in der TCM

Im modernen wissenschaftlichen Verständnis beschreiben wir verschiedene Gewebearten oder Teile des Menschen, wie z.B. Knochen, Nerven, Blut, Haut, Organe usw. Diese Teile wirken zusammen und ermöglichen so die Funktion des Menschen.

 

Die moderne Sichtweise ist hierbei in verschiedene Fachgebiete aufgeteilt. Materielle Aspekte wie oben genannt und weniger materielle Aspekte des menschlichen Wesens, wie z.B. Gefühle, Gedanken usw. werden in verschiedenen Fächern wie Anatomie und Psychologie beschrieben. Die Physiologie ist ein Fachbereich, der funktionelle Prozesse beschreibt. Hier finden wir im modernen Verständnis also eine Trennung verschiedener Anteile des menschlichen Wesens in unterschiedliche Fächer oder wissenschaftliche Teilgebiete.

 

Diese Trennung gibt es so in der chinesischen Medizin so nicht. In der TCM werden Körpersubstanzen beschrieben ohne, daß man diese verschiedenen Fachgebieten zuordnen könnte. In der Traditionellen Chinesischen Medizin sind materiell-physische, funktionell-vegetative und immateriell-psychische Prozesse miteinander verbunden und beeinflussen sich in alle Richtungen gegenseitig.

 

Daraus resultiert ein ganzheitliches Verständnis der sowohl der physischen als auch der psychischen Vorgänge und somit auch ein ganzheitlicher Ansatz bezüglich der therapeutischen Maßnahmen.